Meldungen aus dem Landesverband Nordrhein-Westfalen
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Beerdigung 77 Jahre nach Kriegsende

Kriegstote des Zweiten Weltkriegs feierlich beigesetzt

N. Kliemke (Volksbund NRW)

Rhede (Kreis Borken). Am 24.11.2022 wurden die Gebeine von sechs Toten des Zweiten Weltkrieges im Rahmen einer ökumenischen Zeremonie beigesetzt. Sie waren im Juni zufällig bei  Bauarbeiten gefunden worden. Die Beerdigung fand unter großer Anteilnahme der Bevölkerung auf dem denkmalgeschützten Alten Friedhof statt. Etwa 80 Personen nahmen an der Veranstaltung teil.

In sechs kleinen schwarzen Särgen, geschmückt mit Gestecken, waren die Gebeine auf der örtlichen Kriegsgräberstätte aufgebahrt. „Mehr als 77 Jahre liegt der Zweiten Weltkrieg zurück, und noch immer sind nicht alle Opfer dieses Krieges gefunden worden“, sagte Stefan Schmidt, Landesgeschäftsführer des Volksbundes in seiner Einführung. „Wir wissen nur wenig über sie, weder woher sie kamen, wie sie lebten, was sie dachten, noch wie sie zu Tode kamen.“

Auch wenn man dies alles noch nicht weiß, lassen Spuren und Hinweise vermuten, dass es sich bei den Toten um hingerichtete deutsche Deserteure handeln könnte. In seiner Trauerrede prangerte Bürgermeister Jürgen Bernsmann deshalb die Sinnlosigkeit dieser Handlungen an:

„Der Wunsch und das Verlangen vieler Soldaten, zu ihren Familien zurückkehren zu wollen, war aufgrund der Unabwendbarkeit der deutschen Niederlage und Aussichtslosigkeit mehr als verständlich. Umso unverständlicher ist es für uns heute, dass Befehlshaber der Wehrmacht junge Soldaten, die die Sinnlosigkeit der Fortsetzung des Krieges erkannt hatten, zum Tode verurteilten und hinrichten ließen.“

Auch Pfarrer Thorsten Schmölzing von der katholischen St. Gudula-Gemeinde verlieh seinem Befremden Ausdruck: Man habe die Toten in einem Bombentrichter verschüttet, „sozusagen auf den Müll geworfen.“ Nun hole man ein würdiges Begräbnis nach. In ihre Gebete und Fürbitten schloss Prädikantin Nadine Notten von der evangelischen Kirchengemeinde die Angehörigen der Toten ein, die seit Jahrzehnten vergeblich auf Nachricht warteten.

Unter den Trompetenklängen des „guten Kameraden“ wurden die Särge in die ausgehobene Grube hinabgelassen. Viele der Anwesenden folgten der Aufforderung, bereitgestellte Blumen auf die Särge zu werfen.

Die Gebeine waren im Juni zufällig bei Bauarbeiten in einem zugeschütteten Granattrichter gefunden worden. Die Bergung hatte der Umbetter des Landesverbandes NRW des Volksbundes, Patrick Leidig, mit Unterstützung der Stadtverwaltung Rhede vorgenommen. Aufgrund der Beschaffenheit des Erdreichs hatten die Arbeiten mehrere Tage gedauert. Lediglich eine Erkennungsmarke war bei den Gebeinen gefunden worden. Das zuständige Bundesarchiv konnte sie keinem Namen zuordnen. So bleibt die Identität der Toten bis auf weiteres unbekannt.

Zwischenzeitlich waren die Gebeine von der Polizei beschlagnahmt worden. Die gerichtsmedizinische Untersuchung bestätigte, dass sich die Knochen sechs Personen zuordnen lassen. Weitere Fundstücke wie Stiefel, Uniform- und Waffenteile lassen auf einen militärischen Zusammenhang schließen. Weitere Spuren weisen auf Tod durch äußere Gewalteinwirkung hin.

Diese Vermutung wird durch Zeitzeugenberichte gestützt, der in den lokalen Medien veröffentlicht wurden. Eine Einwohnerin der Stadt Rhede erinnert sich an Urteile, die ein im Wohnhaus ihrer Familie untergebrachtes Militärgericht gefällt hatte. Nachdem die zumeist sehr jungen Männer abführt worden waren, seien Schüsse zu hören gewesen. Es ist zu hoffen, dass die Hintergründe aufgeklärt und die Identität der Toten geklärt werden können.

Text: Stefan Schmidt, Fotos: Nina Kliemke