Meldungen aus dem Landesverband Nordrhein-Westfalen
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Das erste Mal am Grab des Vaters

80 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges

Carine Derkoningen berichtet über die Suche nach dem Großvater Volker Schmidt

Essen. Am 4. April 2025 erreichte eine Delegation von 28 Personen den Südwestfriedhof in Essen. Die belgische Familie war angereist, um das Grab ihres Angehörigen zu besuchen, der über 80 Jahre als vermisst galt. 

Lange war unklar, was aus Joannes Derkoningen geworden ist. Der belgische Grubenarbeiter und seine Frau Maria wurden am Morgen des 7. Juli 1943 überraschend von der Polizei festgenommen. Ihre neun Kinder blieben allein zu Hause zurück. Es folgte ein Gerichtsverfahren wegen des Vorwurfs, sie hätten verbotenerweise sowjetischen Kriegsgefangenen geholfen mit Essen, Trinken und einer Schlafgelegenheit in der Scheune. Für ihre Menschlichkeit wurden Maria und Joannes zu drei Jahren Haft verurteilt. 

Über verschiedene Gefängnisse in Belgien gelangten sie nach Deutschland, wo sich ihre Wege trennten. Maria kehrte am 9. Mai 1945 zurück nach Hause. Ihr Mann Joannes blieb vermisst. Es gab widersprüchliche Informationen hinsichtlich seines Verbleibs, einen Hinweis auf sein Grab erhielt die Familie nie.

Der Verlust des Ehemanns und Vaters war ein Trauma für die Familie, das auch noch in die nächste Generation übertragen wurde. Insbesondere auch die Ungewissheit, was wirklich passiert war, beschäftigte die Familie noch lange Zeit. 

Ende 2024 beschloss Carine Derkoningen, eine Enkelin von Joannes, der Sache noch einmal auf den Grund zu gehen. 80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges sollte das Rätsel um den Verbleib des Großvaters gelöst werden. Sie kontaktierte verschiede Archive in Belgien, Essen und auch die Arolsen Archives. Sie bekam die Bestätigung, dass Joannes tatsächlich am 12.12.1944 in einem Essener Gefängnis bei einem Luftangriff gestorben war. Vom Essener Stadtarchiv und der Friedhofsverwaltung erhielt sie erstmalig auch eine Information darüber, wo sich das Grab von Joannes befindet.

Umgehend wurde die Familie informiert und ein gemeinsamer Besuch auf dem Südwestfriedhof in Essen geplant. Die letzte lebende Tochter von Joannes war 92 Jahre alt und sollte unbedingt noch die Gelegenheit bekommen, das Grab des Vaters zu besuchen. 

Joannes Tochter Theresia und mehrere Enkelkinder von Joannes mit ihren Partnern besuchten schließlich an einem sonnigen Freitagvormittag erstmalig das Grab von Joannes Derkoningen. Bei einer selbst organisierten Zeremonie konnten Sie endlich Abschied nehmen. 

Die Familie willigte ein, dass die Bildungsreferentin des Volksbundes die Familie an diesem besonderen Tag begleiten durfte. Denn die Geschichte von Joannes Derkoningen soll künftig der Bildungsarbeit zugutekommen. 83 weitere Opfer des Luftangriffs vom 12.12.1944 liegen auf dem Südwestfriedhof. Die Geschichte von Joannes gibt den vielen Kriegstoten ein Gesicht und zeigt, wie wichtig es ist, dass die Gräber der Kriegstoten auch so viele Jahre nach dem Krieg noch erhalten werden.

Text: Kinga Kazmierczak