Meldungen aus dem Landesverband Nordrhein-Westfalen
Meldungen aus dem Landesverband Nordrhein-Westfalen

„Die Politik wird unsere Freundschaft nicht trennen“

Würdigung von Jewgenij Demidov durch Beatrix Balzar

Jewgenij Demidov (1.v.l.) auf der Kriegsgräberstätte in Duchowschtschina Beatrix Balzar

Siegen. Das neue Bezirksvorstandsmitglied Beatrix Balzar hat bis zu Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine einige Umbettungsmaßnahmen in Russland begleitet und viele Angehörige bei ihrer Suche nach Kriegstoten aus deren Familie unterstützt. Bei ihrem Einsatz in Russland ist auch eine besondere Freundschaft zu dem Umbetter Jewgenij Demidov gewachsen. Anlässlich seines plötzlichen Todes in diesem Jahr hat Beatrix Balzar uns die folgende, persönliche Würdigung zukommen lassen:

„Am 2. August erhielt ich einen Anruf von dem langjährigen Mitarbeiter des Volksbundes und ehemaligen Ausbettungsdienstleiters für die Region Westrussland, Uwe Lemke. Er teilte mir mit, dass Jewgenij Demidov, der mich seinerzeit bei der Suche nach dem Kriegsgrab meines Großvaters in Russland maßgeblich unterstützt hatte, am Morgen plötzlich und unerwartet verstorben ist.

Wenn mich heute Interessierte des Volksbundes und Angehörige zu den Voraussetzungen, den Gegebenheiten und Arbeitsabläufen einer Suche sowie Erfassung von ehemaligen Wehrmachtsfriedhöfen bis hin zur Aus- und Wiedereinbettung, zur Identifizierung und Dokumentation fragen, dann kann ich solche Fragen nur daher beantworten, weil ich Jewgenij Demidov damals bei seiner täglichen, wichtigen Arbeit begleitet habe und er mir alles erzählt, erklärt und auch gezeigt hat.

Jewgenij Demidov war bis zuletzt und über 30 Jahre lang für den Volksbund als Umbetter u.a. in St. Petersburg, Rshew, Karelien, Murmansk, Novgorod, Kursk und Smolensk tätig. Er hat an der Suche und Erfassung von Erstgrablagen, der Ausbettung und Identifizierung, der Dokumentation und Wiedereinbettung der sterblichen Überreste von ca. 200.000 Soldaten aktiv teilgenommen. Angesichts dessen, dass man in Russland nur wenige Monate im Jahr wetterbedingt ausbetten kann, ist das eine unglaubliche Zahl. Er hat aber auch Angehörige - wie mich - vor Ort betreut.

Ich bin mit ihm auf Kriegsgräberstätten gereist; wir haben dort zusammen Blumengrüße Angehöriger aus Deutschland niedergelegt, wir sind über die Jahre zusammen bei vielen Ausbettungen gewesen. Wir haben mit Eigentümern, auf deren Grundstücken Soldaten der deutschen Wehrmacht begraben lagen, gesprochen, um eine Ausbettungsgenehmigung zu bekommen. Nicht selten mehrmals, eindringlich und meistens mit Erfolg. Mit seiner immer freundlich-höflichen-kommunikativen Art hat Jewgenij Demidov dabei eine wirklich großartige Arbeit geleistet.

Seit dem Krieg in der Ukraine haben wir uns leider nur noch per Messenger-Dienst und E-Mail austauschen können. Und das haben wir bis kurz vor seinem Tod getan. Er hat mir erzählt, wie schwierig die Arbeit in Russland aktuell geworden ist. Bis zuletzt ist er aber sehr motiviert bei seinen Aufgaben für den Volksbund geblieben. Der Schwerpunkt der Arbeit von Jewgenij Demidov lag in den letzten Jahren beim Auffinden von ehemaligen Wehrmachtsfriedhöfen; überwiegend kleinerer, schwieriger zu findender Grablagen. Zudem hat er mit Hilfe des Internets zum Kriegsgeschehen in Russland recherchiert.

‘Die Politik wird unsere Freundschaft nicht trennen’ hat er mir noch vor wenigen Wochen geschrieben. Wir waren fest davon überzeugt, dass wir uns nach dem Ende des Krieges wiedersehen werden. Bis dahin wollten wir uns weiter austauschen über die Volksbund-Arbeiten im Land und meine - wie er meinte - verbesserungswürdigen Fähigkeiten russisch zu sprechen und zu kochen, mit den wenigen Möglichkeiten, die wir seinerzeit hatten.  

Der Volksbund hat mit Jewgenij Demidov einen treuen, im ganzen Land vernetzten und sehr wertvollen Mitarbeiter verloren. So mancher Angehöriger in Deutschland - auch aus unserem Landesverband - verdankt ihm viel. Er wurde nur 61 Jahre alt. Er hinterlässt seine Frau Olga und einen erwachsenen Sohn.“

Fotos und Text: Beatrix Balzar