Meldungen aus dem Landesverband Nordrhein-Westfalen
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Veteran sein heißt auch Mensch sein.

Ausstellung „Gesichter des Lebens“ in Münster eröffnet

Das Gruppenfoto zeigt einige der am Ausstellungs- und Veranstaltungsprogramm in Münster beteiligten Kooperationspartner - v.l.n.r. Armin Witczak (Gesicht des Lebens), Jens Effkemann (Regionalgeschäftsführer des Volksbundes), Brigadegeneral Jens Arlt (Standortältester der Bundeswehr in Münster), Oberstabsfeldwebel a.D. Jürgen Görlich (1. Stellvertreter des Bundesvorsitzenden vom Deutschen Bundeswehrverband), Thomas Kroner (Gesicht des Lebens), Künstler Andreas Steinkat, Bürgermeisterin Angela Stähler (Stadt Münster), Pastorin Daniela Fricke (Evangelisches Militärpfarramt Münster), Generalleutnant a.D. Bruno Kasdorf (Vorsitzender des Kuratoriums der Soldaten- und Veteranenstiftung), Esther Joy Dohmen (Direktorin der VHS-Münster), Claudia Schalling (Gesicht des Lebens) und Daniela Skrzypczak (Fotografin und Ausstellungsmacherin).

Gruppenfoto mit den Kooperationspartnern des Ausstellungs- und Veranstaltungsprogrammes in Münster Yannick Römer (VHS Münster)

Münster. Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. hat eine enge Beziehung zur Bundeswehr, nicht allein durch die herausragende Unterstützung der Truppe bei der jährlichen Spendensammlung des Vereins. Auch im Bereich der historisch-politischen Gesellschaftsbildung gibt es einige Schnittmengen. Anlässlich des ersten Veteranentages in Deutschland lag es für den Volksbund daher nahe sich unter Federführung der Volkshochschule Münster und weiterer Partner an einem besonderen Ausstellungs- bzw. Veranstaltungsprogramm in Münster zu beteiligen. Lesen Sie dazu die folgende Pressemeldung zum Auftakt des Programms.

„Soldat*innen und Soldaten, im Auslandseinsatz verwundet oder psychisch erkrankt oder im normalen Dienst, sind heute Veteranen der Bundeswehr, die in der Gesellschaft wahrgenommen werden möchten. Mit der Kraft der Bildsprache erzählt die Ausstellung ‘Gesichter des Lebens’ von den fotografierten Menschen. Die Begegnung zwischen den Menschen beim Betrachten der Fotos ist ein großes Anliegen dieses Fotoprojektes. 

Der Sportler Hauptmann Thomas Kroner, stellvertretender Teamchef der IG24-Mannschaft der Invictus Games, Armin Witczak, Gewinner bei den Invictus Games, und die IT-Fachfrau Claudia Schalling, die als Transgender heute Soldatinnen und Soldaten bei der Bundeswehr berät und als Elektroniker zur Bundeswehr kam - sie sind die wahren Gesichter des Lebens, begrüßte die VHS-Direktorin Esther Joy Dohmen sie herzlich zur Ausstellungseröffnung ‘Gesichter des Lebens’ im VHS-Forum. 

Vor eineinhalb Jahren hatte sie die Fotografin und Ausstellungsmacherin Daniela Skrzypczak und Jürgen Görlich, Oberstabsfeldwebel a.D. im Amt des 1. Stellvertreters des Bundesvorsitzenden des DBwV (Deutschen Bundeswehrverbandes) anlässlich des ersten bundesdeutschen Veteranentages am 15. Juni 2025 nach Münster eingeladen. Die schwarz-weißen Porträts, berührenden Paarfotos und Mannschafts-Shootings, Zitate und Infos über die oft schwer geschädigten und traumatisierten Angehörigen der Bundeswehr oder auch Blaulicht-Organisationen wie Feuerwehr und Polizei sollten überlebensgroß an den weißen Wänden der VHS Münster hängen.

Als Kooperationspartner wirken das 1. Deutsch-Niederländische Corps, das Friedensbüro Münster und der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge mit. Die Schirmherrschaft zu dem Ausstellungsprojekt ‘Gesichter des Lebens’ hat Oberbürgermeister Markus Lewe gemeinsam mit dem Standortältesten der Bundeswehr von Münster, Brigadegeneral Jens Arlt, übernommen, der an diesem Abend ganz besonders die Teammitglieder der Deutschen Mannschaft bei den Invictus Games begrüßte: ‘Aki, Thomas, Armin, schön, euch zu sehen.’ Jeder habe etwas ganz Besonderes erlebt, die Ausstellung macht sichtbar, was dahintersteckt. Bürgermeisterin Angela Stähler überbrachte Grüße der Stadt Münster und betonte die enge Verbundenheit mit den Soldatinnen und Soldaten am Standort in Münster. 

Viele der Angehörigen der Bundeswehr, knapp 450 Tausend, waren bisher in einem Auslandseinsatz. Thomas Kroner, 57, seit letztem Jahr Hauptmann im Ruhestand, kam über die OSZE im zivilen Dienst in den Kosovo und nach Serbien und Bosnien. ‘Ich wurde gefragt und habe nicht Nein gesagt, ich wollte einfach meine Pflicht tun. Was uns da erwartete, wusste ich damals nicht …’. 

Der Hubschrauberpilot war 1988 in die Bundeswehr eingetreten, wurde zuerst Unteroffizier in der Panzertruppe. Seine erste Verwendung dauerte vier Jahre und er hat sie verlängert, um Hubschrauberpilot zu werden. ‘Ich hatte den Status als Berufssoldat und musste Berufsoffizier werden, um als Hubschrauberpilot zu fliegen. Das war noch besser als mit einem Fallschirm abzuspringen’, schmunzelt er. Zum Lachen ist ihm innerlich meist nicht zumute. ‘Man sieht meine Erkrankung nicht, die Diagnose und Anerkennung meiner PTBS hat 19 Jahre gedauert. Ich habe zu jeder Zeit meine Flüge perfekt absolviert, später wurde ich Fluglehrer, was mir viel Spaß machte.’ Er wurde an die OSZE in Wien ausgeliehen noch bevor der KFor-Einsatz lief. ‘Die Bedrohung durch Steine oder Waffen, das macht was mit einem’, sagt er und spricht dabei auch über die im KFor-Einsatz angesprengten Kameraden Jens und Meik. ‘Jens hat ein Bein verloren, Meik beim Explodieren einer Streubombe sein halbes Gesicht.’ Der Bauer, der die nicht explodierte Streubombe aufgehoben hatte, war tot. Ihre Bilder hängen auch in der Ausstellung ‘Gesichter des Lebens’.

„Ich bin ja gegangen, um den Krieg zu verhindern.“ 1999 habe ich das erlebt und danach gemerkt, ich habe mich verändert. Damals hatte er eine psychologische Nachbetreuung abgelehnt. ‘Ich war ja Pilot - das ist ein hochfunktionaler Beruf.’ Seine Ehe ist über seiner Krankheit zerbrochen. ‘Ich hatte mich so verändert, das Leben ist ein anderes’, sagt er tief bewegt. Heute versucht er Lebensqualität zurückzugewinnen. Das hat er besonders über den Sport geschafft. Als stellvertretender Teamchef der Deutschen Mannschaft bei den Invictus Games hat er an diesem Abend im VHS-Forum sein Trikot an. Auch weitere Teilnehmer der Invictus Games sitzen im Publikum.

Soldatinnen und Soldaten leisten ein besonderes Dienstgeschäft, in nicht geschützten Bereichen, bei Auslandseinsätzen unterliegen sie Gefahren, die nicht vorhersehbar sind. Deshalb müsste eigentlich 365 Tage Veteranentag sein, auch im normalen Dienstgeschäft. ‘Wertschätzung ist wichtig, wir sind aber meilenweit davon entfernt.’ so ein paar Stimmen zur Ausstellungeröffnung.

Generalleutnant a.D. Bruno Kasdorf war zwei Mal für jeweils ein Jahr in Afghanistan als Stabschef der ISAF in Kabul. ‘Dort musste ich für alle Soldatinnen und Soldaten Verantwortung tragen, nicht nur für die der Bundeswehr oder der NATO’. 

Heute ist er ehrenamtlich tätig und unterstützt maßgeblich die Ausstellung ‘Gesichter des Lebens’.

Veteranen bedeuten viel für die Wehrhaftigkeit als Nation, sie spielen dabei eine wichtige Rolle. ‘Sich rechtfertigen zu müssen, dass man gedient hat, da ist etwas falsch’, meint er auf dem Podium im Gespräch mit Esther Joy Dohmen und bezieht sich auf die gesamte Gesellschaft: ‘So unterschiedlich wie wir sind, ist die Bundeswehr auch.’

1973 war er Soldat geworden, seine Ausbildung war noch geprägt durch Wehrmachtssoldaten, die damals Ausbilder waren. ‘Da sind wir [als Bundeswehr] durch einen großen Wandlungsprozess gegangen. Die Bundeswehr heute ist eine ganz andere.’

Kasdorf ist seit Mitte 2024 Vorsitzender des Kuratoriums der Soldaten- und Veteranenstiftung, der er seit 2015 nach seiner Pensionierung eng verbunden ist. Seitdem wuchs die Stiftung stetig, initiierte neue Projekte und intensivierte ihre Betreuung für Soldaten und ihre Familien. Sie ist Teil in einem starken Netzwerk für schnelle Hilfen.

Generalleutnant a.D. Bruno Kasdorf ist Vorsitzender des Stiftungskuratoriums der SVS. Er war in seiner letzten Verwendung von September 2012 bis Juli 2015 Inspekteur des Heeres. Er spricht an diesem Abend sehr offen, genau wie die weiteren ‘Gesichter des Lebens’ Claudia Schalling und Armin Witczak und Pastorin Daniela Fricke, die über die Begleitung der Bundeswehrangehörigen von der ersten Tasse Kaffee bis zu einer einwöchigen Erholungsmaßnahme von ASEM berichtet, bei der auch der PTBS-betroffene Künstler Andreas Steinkat in einer Kunsttherapie seine Kreativität entdeckte. Seine ‘digital Art’-Bilder hängen nun in der zweiten Etage der VHS Münster im Aegidiimarkt.“ 

Vorbeikommen lohnt sich also.

Flyer zum gesamten Veranstaltungsprogramm

Text: Christine Bertels (VHS Münster); Fotos: Yannick Römer (VHS Münster)