Meldungen aus dem Landesverband Nordrhein-Westfalen
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Ein Lager für 10.000 Kriegsgefangene in Dülmen

Dülmen. Im Sommer kommen Tausende, um sich zu erholen. Die Silberseen zwischen Hausdülmen und Sythen-Lehmbraken sind ein beliebtes Ziel für Erholungssuchende. Dort, wo heute die Wellen leicht im Sonnenschein plätschern, herrschte vor 99 Jahren vor allem eins: der Hunger. Da, wo heute der See ruht, stand ein Lager, ausgelegt für 10.000 Kriegsgefangene.

Bereits im Dezember 1914 begannen die Bauarbeiten auf einem 75 Hektar großen Gelände, das zu den Besitztümern des Herzogs von Croy gehörte. Am 21. Januar 1915 trafen die ersten Kriegsgefangenen ein: 150 Franzosen, die bei Verdun in deutsche Gefangenschaft geraten waren.

Ausgrabungen

Rudolf Hermanns, pensionierter Lehrer der Johann-Gutenberg-Schule, ist auch ein Kämpfer. Er kämpft gegen das Vergessen. Der 66-Jährige hat jahrelang mit seinen Schülern geforscht und sogar Ausgrabungen gemacht. „Von 1998 bis 2003 haben wir ausgegraben, dann haben andere gegraben“, sagt Hermanns und meint die Quarzwerke, die mit einem Riesenbagger kamen. Hermanns hat damals mit seinen Schülern Tassen, kleine Fluchtkompasse und anderes Material gefunden, das heute in seinem Keller steht. „Als die Schule 2009 aufgelöst wurde, da wollte es niemand haben. Ich wollte es aber nicht wegwerfen“, sagt der 66-Jährige und hat die Fundstücke mitgenommen. „Bei den Grabungen mussten wir damals ganz vorsichtig sein, weil dort ein seltenes Moosgras wuchs, das unter Naturschutz stand. „Als der große Bagger kam, war das egal. Das war schon ein Wahnsinn“, erinnert er sich. Heute steht nur noch die Kommandantenbaracke, die als Wohnhaus dient.

Kriegsgefangenenlager

Das Kriegsgefangenenlager bestand aus vier Gruppen; in den Gruppen I und II waren vorwiegend Franzosen, Belgier und Briten untergebracht, in Gruppe III hauptsächlich Russen, hinzu kam eine besondere Lazarettgruppe. Die Kriegsgefangenen wurden in umliegenden Industriebetrieben, in der Landwirtschaft oder zur Trockenlegung von Moorgebieten eingesetzt. Schon recht früh ließ die Lagerleitung durch den im Lagerbataillon dienenden Architekten Hausmann einen Lagerfriedhof anlegen, der am 8. April 1915 feierlich durch den Kommandanten, Generalmajor von Seld, eingeweiht wurde, weiß Jens Effkemann vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge aus Münster. Am oberen Ende der Anlage gelangte man über eine Treppe zu einer mit dorischen Säulen geschmückten Denkmalswand. Die Wand trug die für damalige Zeiten bemerkenswerte Inschrift „Auch sie starben für ihr Vaterland“.

Lagerfriedhof

Bei Kriegsende waren auf dem Lagerfriedhof etwa 750 verstorbene Gefangene, insbesondere Russen, aber auch Franzosen, Briten und Rumänen bestattet. Viele starben durch den Hunger geschwächt. Die Lagerinsassen bekamen morgens und mittags einen Pott Kastanienkaffee, mittags gab es eine dünne Suppe. Das Lager wurde nach Kriegsende bis 1919 als Heimkehrerlager genutzt. Der Friedhof existiert heute nicht mehr in seiner alten Form. 1972 wurde er von der Stadt Dülmen verlegt. 541 Russen, 44 Rumänen, zwei Belgier und ein Serbe sind dort aus dem ersten Weltkrieg begraben. „Die britischen und französischen Toten wurden in ihre Heimatländer oder auf zentrale Friedhöfe verlegt“, weiß Effkemann. Er würde sich über eine Schulklasse freuen, die die Patenschaft für den Friedhof übernehmen würde. Stoff für den Geschichtsunterricht gibt es in Hausdülmen reichlich.