Meldungen aus dem Landesverband Nordrhein-Westfalen
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„Ge(h)denken“: Rückblick und Ausblick

„Monat des Kriegsgrabes im September“ wird 2024 wiederholt

Führung über den Zentralfriedhof Ibbenbüren am "Tag des offenen Denkmals" 2023 Volksbund NRW

Essen/NRW. Im vergangenen Jahr hat der Landesverband NRW den September bereits zum zweiten Mal zum „Monat des Kriegsgrabes“ erklärt. Unter dem Motto „Ge(h)denken!“ waren Mitglieder, Förderinnen und Förderer des Volksbundes sowie die interessierte Öffentlichkeit in Nordrhein-Westfalen eingeladen, sich räumlich und gedanklich Kriegsgräberstätten in NRW zu nähern und dabei auch den Volksbund näher kennenzulernen. Rund 600 Personen haben an den insgesamt 15 Veranstaltungen und einem Benefizkonzert in Bad Salzuflen teilgenommen.

Ein Vortrag am 12. September 2023 von Prof. Dr. Martin Aust (Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn) in der Gedenkstätte Bonn beleuchtete den Zweiten Weltkrieg und die Erinnerungskultur in Osteuropa und Deutschland. Prof. Aust stellte anschaulich unterschiedliche Erinnerungskulturen in verschiedenen Ländern Osteuropas bis in die Gegenwart dar. Er zeigte auch Leerstellen auf, die das deutsche nationale Gedächtnis bezüglich der Staaten Osteuropas hat.

Auf neun Führungen über kommunale Friedhöfe und Kriegsgräberstätten von Bielefeld bis Bonn stellten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Volksbundes und weitere Referentinnen und Referenten die dort bestatteten Kriegstoten sowie die Geschichte der Friedhöfe und „Kriegerdenkmäler“ vor. Die Führungen fanden vor allem am „Tag des Offenen Denkmals“ am 10. September 2023 und am „Tag des Friedhofes“ am 17. September 2023 statt, u.a. mit Unterstützung verschiedener Kooperationspartner.

Am „Tag des offenen Denkmals“ kamen 17 Interessierte zum Nordfriedhof in Bonn. Björn Dzieran, wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Gedenkstätte Bonn, führte über die Anlage und stellte die Biografien einzelner Kriegstoter vor.

Am selben Tag bot das Käthe Kollwitz Museum Köln in Kooperation mit dem Volksbund eine Stadtführung auf den Spuren von Käthe Kollwitz in Köln an. Das „Trauernde Elternpaar“ ist eine der bekanntesten Großplastiken von Käthe Kollwitz. In Köln findet man sie in der Kirchenruine von Alt St. Alban. Wer weiß schon, dass das Original auf dem deutschen Soldatenfriedhof Vladslo in Belgien steht? Die Künstlerin hatte das Skulpturenpaar als Reaktion auf den Tod ihres Sohnes Peter geschaffen, der im Ersten Weltkrieg gefallen war und heute in Vladslo liegt. Eine weitere Replik wurde 2014 im russischen Rshew aufgestellt, wo Kollwitz‘ im Zweiten Weltkrieg gefallener Enkelsohn Peter bestattet ist. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Rundgangs in Köln waren sich einig, dass die Kunstwerke bis heute nichts von ihrer Aktualität verloren haben.

Im westfälischen Marsberg lernten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer bei einer Führung über den Friedhof auf dem Gelände der LWL-Einrichtungen persönliche Geschichten der dort bestatteten Opfer der NS-„Euthanasie“ kennen. Dabei erfuhren sie auch Details über die Pläne für eine Neugestaltung des Friedhofsgeländes.

Zur Führung auf den Zentralfriedhof Ibbenbüren kamen fast vierzig Interessierte. Bildungsreferentin Nina Kliemke stellte dort die Gräber ziviler deutscher Opfer und ausländischer Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter des Zweiten Weltkrieges vor.

Ein Rundgang über den Westfriedhof Oberhausen in Kooperation mit der Gedenkhalle Oberhausen zeigte anschaulich die gravierenden Folgen der Weltkriege und der NS-Diktatur. Er führte über Kriegsgräberstätten beider Weltkriege - für gefallene Soldaten des Ersten Weltkrieges, für Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter des Zweiten Weltkrieges und für zivile deutsche Opfer des Zweiten Weltkrieges.  U.a. erfuhren die Teilnehmenden über das Schicksal einer jungen Oberhausenerin, die wegen des Hörens eines „Feindsenders“ verurteilt worden war und im Gefängnis ums Leben gekommen war. An weiteren Gedenksteinen wurde der Tod mehrerer Kinder thematisiert, die während der „Kinderlandverschickung“ in Österreich bei der Evakuierung vor der heranrückenden Roten Armee bei einem Autounfall ums Leben kamen. In einer weiteren Grabanlage sind Tote des „Kapp-Putschs“ bestattet.

Abschließend berichteten die Referentinnen auf dem jüdischen Teil des Friedhofs über die Verfolgung von Mitgliedern der jüdischen Gemeinde Oberhausen während der NS-Diktatur und des Zweiten Weltkrieges.  

Anschauliche Ergänzungen bei den Führungen waren die persönlichen Erinnerungen oder Berichte aus der Familiengeschichte der Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs. Viele Gäste der Führungen drückten dabei die Trauer über die Toten von damals und ihr Entsetzen über den aktuellen russischen Angriffskrieg auf die Ukraine aus. Gerade für Zeitzeuginnen und Zeitzeugen werden Parallelen sichtbar.

Auch an der „Mitmachaktion“ beteiligten sich Mitglieder, Förderinnen und Förderer. Der Landesverband hatte dazu aufgerufen, Kriegsgräber in der Nähe des Wohnortes zu besuchen und z.B. eine Blume abzulegen oder eine Kerze aufzustellen, Fotos zu machen und Berichte zu senden. Frau Wessel aus Minden, nahm dies zum Anlass, alle Kriegsgräberstätten in Minden zu besuchen, zu fotografieren und die Zahl der Gräber zu dokumentieren. Frau Theus-Schomacher aus Beckum besuchte die Gräber sowjetischer Kriegstoter und stelle ein Grablicht auf. Frau Arndt aus Coesfeld schickte Urlaubsbilder aus der Bretagne. Dort war sie auf einem Gemeindefriedhof unversehens auf Gräber deutscher Soldaten des Ersten Weltkrieg gestoßen. Aus Essen meldete sich Frau Schwanke. Seit Jahrzehnten trifft sich ihre Familie an Allerheiligen auf dem Essener Parkfriedhof, um dort Grableuchten an Gräbern unbekannter Kriegstoter aufzustellen.

Der Arnsberger Regierungspräsident Heinrich Böckelühr besuchte bereits Anfang August Kriegsgräberstätten im Kreis Siegen-Wittgenstein und würdigte das Engagement von Ehrenamtlichen. In Kreuztal-Kredenbach traf er Stephan Hahn und Werner Irle, die sich liebevoll um die Anlage kümmern. In Siegen-Gosenbach dankte er gemeinsam mit stellvertretenden Landrätin Ursula Belz der örtlichen THW-Jugend und der Ehrenamtlichen Beatrix Balzar für deren Pflegeeinsatz.

Für alle, die die Aktion im September verpasst haben, bietet die App „Actionbound“ die Gelegenheit, unabhängig von der Veranstaltungsreihe auf interaktive digitale Spurensuche auf ausgewählten Kriegsgräberstätten zu gehen. Nach dem Herunterladen der App und dem Klick auf den gewünschten Friedhof kann es losgehen. Aktuell bietet der Volksbund NRW individuelle Spurensuchen auf den Kriegsgräberstätten in Simmerath-Rurberg, auf dem Parkfriedhof Dinslaken, dem Friedhof Erftstadt-Kierdorf, dem Sennefriedhof Bielefeld, dem Parkfriedhof Essen, der Kriegsgräberstätte Weeze, dem Friedhof Rheine-Mesum und dem Friedhof Minden-Minderheide an. Weitere Informationen finden Sie dazu unter www.de.actionbound.com.

Wir bedanken uns bei allen Mitwirkenden und Teilnehmerinnen und Teilnehmern sowie bei unseren Kooperationspartnern, der Gedenkstätte Bonn, dem Kreis Steinfurt, dem Käthe Kollwitz Museum, Köln, den LWL-Einrichtungen Marsberg, der VHS Marl, „Hattingen zu Fuß“ und der Gedenkhalle und dem Bunkermuseum Oberhausen für die gelungene Zusammenarbeit.

Einhellige Meinung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer war, dass die Veranstaltungsreihe „Ge(h)denken“ Monat des Kriegsgrabes im September 2023“ gut geeignet sei, um Kriegsgräberstätten und die Schicksale der dort Bestatteten bekannter zu machen und auch die aktuelle Arbeit des Volksbundes kennenzulernen. Selbst langjährige Mitglieder des Volksbundes konnten noch neue Details erfahren.

Deshalb bietet der Landesverband für alle, die die Veranstaltungsreihe schätzen gelernt haben oder neugierig geworden sind, auch im September 2024 wieder einen „Monat des Kriegsgrabs“ an ausgewählten Orten in ganz NRW mit Vorträgen, Führungen und Spaziergängen. Wir freuen uns, wenn Sie uns begleiten oder auch an der Mitmachaktion teilnehmen.

Text: Astrid Wolters/Stefan Schmidt

Ge(h)denken 2023 - Mitmachaktion I

Ge(h)denken 2023 - Mitmachaktion II

Ge(h)denken 2023 - Mitmachaktion III