Meldungen aus dem Landesverband Nordrhein-Westfalen
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Den Opfern ihre Menschlichkeit zurückgeben

Die Stadt Mönchengladbach ist jetzt Mitglied im Riga-Komitee

Mönchengladbach. Die Stadt Mönchengladbach ist heute in einer Feierstunde im Rathaus Abtei dem Riga-Komitee beigetreten. Oberbürgermeister Hans Wilhelm Reiners hat gemeinsam mit der ehemaligen Regierungspräsidentin und Bezirksvorsitzenden des Volksbundes Deutscher Kriegsgräberfürsorge, Anne Lütkes, die Urkunde zur Mitgliedschaft unterzeichnet. Der Rat hatte im Mai letzten Jahres dem Beitritt zum Komitee, das durch den Volksbund zusammen mit mehreren deutschen Großstädten gegründet wurde, zugestimmt. Das Riga-Komitee kümmert sich um das Gedenken an die Opfer, die zur Zeit des Naziregimes nach Riga deportiert und dort ermordet wurden. Mehr als 30.000 Menschen aus dem damaligen Deutschen Reich – auch aus Mönchengladbach – wurden 1941/42 ins Baltikum, vor allem nach Riga, verschleppt. Nur drei Prozent kehrten nach dem Krieg zurück. Allein in Riga kamen etwa 25.000 deutsche Juden ums Leben. Die meisten wurden im Wald von Bikernieki erschossen. Im Jahr 2000 gründeten 13 deutsche Großstädte und der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge in Berlin das „Deutsche Riga Komitee“. Anderthalb Jahre später, rund 60 Jahre nach den Deportationen, wurde die Gräber- und Gedenkstätte im Wald von Bikernieki eingeweiht.

Oberbürgermeister Hans Wilhelm Reiners erinnerte in seiner Ansprache an zwei Personen, die am Tag der Unterzeichnung der Mitgliedsurkunde Geburtstag hätten: Am 2. März 1880 wurde in Odenkirchen Julius Frenkel geboren. Fünf Jahre später, am 2. März 1885 erblickte Meta Geisenberg das Licht der Welt. Beide wurden am 11. Dezember 1941 zusammen mit weiteren 178 Männern, Frauen und Kindern von Düsseldorf aus nach Riga deportiert. „Sie alle starben an Kälte und fehlender Nahrung auf der Fahrt, an Krankheiten und sogenannten medizinischen Versuchen, Folterungen und Erschießungskommandos. Verscharrt wurden sie in Massengräbern im Wald von Bikernieki“, erinnerte OB Reiners an die traurigen Schicksale. „Erinnern ist aber nicht alles. Wir müssen auch in die Zukunft blicken und diese gestalten. Den Weg, den das Riga-Komitee und der Volksbund beschreiten, nämlich die Pflege der Anlage durch lettische und deutsche Jugendliche im Rahmen von Ferien- und Bildungsmaßnahmen durchzuführen und hierdurch ein Band der Erinnerung und der Begegnung zu knüpfen, erscheint mir der richtige“, so Oberbürgermeister Hans Wilhelm Reiners weiter. Auch in Mönchengladbach tragen engagierte Lehrerinnen und Lehrer mit ihren Schülerinnen und Schülern wie im Hugo-Junkers-Gymnasium oder am Gymnasium Odenkirchen das Erinnern über die heutige Generation hinaus.

„Die Gräber- und Gedenkstätte im Wald von Bikernieki leistet – nun auch dank der Hilfe der Stadt Mönchengladbach und ihrer Bürger - einen wesentlichen Beitrag dazu, den Opfern ihre Identität zurückzugeben. Zwar macht die Anlage die Mordtaten nicht ungeschehen, hebt erlittenes Unrecht nicht auf, trocknet nicht die Tränen der Opfer und kann ihre verzweifelten Rufe nach Hilfe nicht mehr erhören. Aber die Gräber- und Gedenkstätte dokumentiert am Ort der Tat das volle Ausmaß des Rechtsbruchs und die Dimension des zugefügten Unrechts für alle nachfolgenden Generationen“, so Anne Lütkes, Bezirksvorsitzende des Volksbundes, in ihrer Ansprache. „Viele Bürgerinnen und Bürger der Stadt Mönchengladbach engagieren sich bereits dafür, die Erinnerung an die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft zu bewahren. So ist es folgerichtig, dass die Stadt Mönchengladbach heute dem Deutschen Riga-Komitee beitritt. Sie leistet damit einen bedeutenden zeitgeschichtlichen Beitrag für ihre ehemaligen Bürgerinnen und Bürger, die im Wald von Bikernieki ermordet wurden“, sagte sie weiter. „Wer der Opfer angemessen gedenken will, muss ihnen ihre Menschlichkeit zurückgeben“, betonte sie. Die Feier wurde musikalisch umrahmt durch die 14jährige Schülerin am Stift. Hum. Gymnasium, Marie Lina Henke, Bundespreisträgerin im Wettbewerb Jugend musiziert, und Münster-Kantor Klaus Paulsen. (pmg/sp)