Projekte aus dem Landesverband Nordrhein-Westfalen
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Kriegsgräberstätten in Gütersloh

563 Tote haben als Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft auf vier Kriegsgräberstätten in Gütersloh eine bleibende Ruhestätte: 473 Tote auf dem Friedhof „Unter den Ulmen“ (Alter Stadtfriedhof), 66 Tote auf dem katholischen Friedhof, 23 Tote auf dem Friedhof der heutigen Klinik des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (vormals Psychiatrische Provinzial-Heilanstalt) und ein Toter auf dem katholischen Friedhof im Stadtteil Avenwedde.

Im Ersten Weltkrieg 1914-1918 verloren 604 Bürger aus Gütersloh ihr Leben. Für den Zweiten Weltkrieg 1939-1945 sind 1 199 Tote registriert, 2 255 Männer und Frauen gelten als vermisst.

Auf den Kriegsgräberstätten der Stadt ruhen gefallene oder ihren Verwundungen erlegene Soldaten des Deutsch-Französischen Krieges, aus beiden Weltkriegen, Flakhelfer und Bombenopfer (vor allem vom
26. November 1944), Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter als Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft: Männer, Frauen und Kinder.

Bodenkämpfe in und um Gütersloh hat es nicht gegeben, wohl aber ab 1940 etwa 40 Luftangriffe. Sie galten zunächst dem Fliegerhorst Marienfeld, später auch den Linien der Köln-Mindener und  der Teutoburger Wald-Eisenbahn.

Nach Bielefeld und Paderborn war Gütersloh die meist zerstörte Stadt in Ostwestfalen. Viele Menschen wurden Opfer der Bomben, 80 verloren allein am Totensonntag 1944 ihr Leben, davon 19 in der Apostelkirche.

Mit dem Einmarsch amerikanischer Truppen am 2. April 1945 endete der Zweite Weltkrieg in Gütersloh.

Zwangsarbeit in Gütersloh

Bereits im Ersten Weltkrieg wurden Ausländer in Gütersloh zur Arbeit zwangsverpflichtet, vor allem Polen und Belgier.

Zwischen 1939 und 1945 sind in Betrieben und Haushalten der Stadt mindestens 3 800 Zwangsarbeiter eingesetzt gewesen, 158 starben: 92 Sowjetbürger, 26 Polen, 12 Niederländer, 14 Belgier, 9 Franzosen,
2 Italiener, 2 Serben und 1 Tscheche. (Quelle: Arbeitseinsatz in der Mittelstadt“ von Till Kössler, 1996)               

Jüdische Bürger

Eine kleine jüdische Gemeinde gab es in Gütersloh von 1671 an. 1932 zählte sie 67 Mitglieder.
Am 10. November 1938 wurden in Gütersloh nicht nur die Synagoge in Brand gesteckt, sondern auch gezielt Wohnhäuser jüdischer Bürger zerstört. Ab 1941 erfolgten die Deportationen von Juden aus Gütersloh in die Ghettos und Konzentrationslager, u. a. nach Riga, Warschau, Lodz, Auschwitz, Buchenwald, Kowno, Sobibor, Minsk und Theresienstadt. 

Seit 1943 gibt es in Gütersloh keine jüdische Gemeinde mehr. (Quelle: „Juden und jüdische Gemeinde in Gütersloh“ von Jehuda Barlev 1988, „November-Pogrom 1938 in Gütersloh“, Helmut Gatzen 1993)

An Orten einstigen jüdischen Lebens – der Synagoge und vor Wohnhäusern – erinnern heute im Gehweg eingelassene Messingplatten mit den Namen und Lebensdaten jüdischer Bürgerinnen und Bürger an ihr Schicksal. Dies gehört zur Aktion „Stolpersteine“ des Kölner Künstlers Gunter Demnig. „Aufmerken, inne halten im alltäglichen Trott, nachdenken, sich erinnern“: das ist das Anliegen des Initiators.

„Euthanasie-Programm“ der Nationalsozialisten
(Euthanasie, griechisch = schöner, leichter Tod)

Dieses Programm war eingebunden in die menschenverachtende Ideologie des „Dritten Reiches“. Es bedeutete den medizinischen Missbrauch wie die systematische Ermordung von  behinderten Menschen – sie wurden als lebensunwert eingestuft - durch SS-Ärzte und Pflegepersonal. Nach neuesten Erkenntnissen fielen bis zu 300 000 Menschen diesen Verbrechen zum Opfer. (Quelle: „Das Vergessen der Vernichtung ist Teil der Vernichtung selbst.“ Lebensgeschichten von Opfern der nationalsozialistischen „Euthanasie“. Göttingen 2007, S. 15, Petra Fuchs u. a. (Hrsg.).

In der damaligen Provinzial-Heilanstalt waren zwischen 1940 und 1943 insgesamt 1 017 „Patienten“ untergebracht. Für die allermeisten war es eine Zwischenstation. Sie wurden in Heil- und Pflegeanstalten nach Warta/ Warthegau, Meseritz/ Obrawalde, Tiegenhof/ Gnesen, Bernburg/ Anhalt, Scheuern/ Nassau sowie ins Spital Kocborowo/ Danzig verlegt oder in die NS-Tötungsanstalten Hadamar/ Hessen und Brandenburg (Altes Zuchthaus) verbracht. Der überwiegende Teil dieser Menschen ist dort gestorben oder ermordet worden. Einige Patienten wurden auch entlassen oder konnten fliehen, von anderen ist das Schicksal unbekannt geblieben. Auf dem Friedhof der heutigen Klinik ruhen 23 Opfer.(Quelle: „Psychiatrie und Gesellschaft in der Moderne“, Bernd Walter, 1996)

Kriegsgräber auf dem Friedhof „Unter den Ulmen“

In mehreren Gräberfeldern ruhen 466 Tote beider Weltkriege und der Gewaltherrschaft aus über zehn Nationen sowie 7 Gefallene des Deutsch-Französischen Krieges 1870/ 71 vor einem Denkmal; im Einzelnen: aus dem Ersten Weltkrieg 43 deutsche und 16 russische Tote, aus dem Zweiten Weltkrieg die Gräber von 347 Deutschen, 17 Ungarn, 9 Sowjetbürgern, 2 Litauern, 13 Letten, 4 Esten, 3 Jugoslawen,
3 Rumänen, 3 Polen, 4 Niederländern und 2 Unbekannten.

Die Stadt Gütersloh hatte bereits nach Beginn des Zweiten Weltkrieges die Kirchengemeinde um Erweiterungsmöglichkeiten der Kriegsgräberstätte des Ersten Weltkrieges gebeten. Die Gemeinde stimmte dem zu. Erste Kriegstote wurden unmittelbar bei den Gräbern der Opfer des Ersten Weltkrieges bestattet. Als der Platz nicht mehr ausreichte, sind die Toten auf der Fläche jenseits des Weges beigesetzt worden.

Alle Gräber des Zweiten Weltkrieges wurden zunächst mit Holzstelen, in die die Daten der Toten eingeschnitzt waren, gekennzeichnet. Den Kopf der Stelen versah man jeweils mit einem stilisierten „Eisernen Kreuz“.

Anfang der 1950er Jahre wurden die Gräberfelder des Zweiten Weltkrieges neu gestaltet. Die Aufgabe übernahm der Bielefelder Bildhauer Prof. Arnold Rickert. Die Holzstelen wurden durch Kreuze aus Muschelkalk ersetzt. Das Gestaltungselement des „Eisernen Kreuzes“ behielt er für alle Toten bei.

1961 wurden noch Kriegstote aus den Orten Rietberg, Rheda, Verl und Gütersloh zugebettet.

Das jüngste Opfer auf der Kriegsgräberstätte ist Karl-Heinz Bluhm aus Gütersloh, (28.02.1944 - 14.03.1945).

Der Friedhof „Unter den Ulmen“ liegt in Trägerschaft der evangelischen Kirchengemeinde Gütersloh.